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Tyrannen und St. Andrews

in Clubgeplauder 28.02.2017 13:14
von poller | 41 Beiträge

In der Vergangenheit machten die etablierten Führungseliten mit ihrer Meinung nach gefährlichen Aufrührern kurzen Prozess. Sokrates musste den Schierlingsbecher trinken, da er die öffentlichen Dogmen infrage stellte und der griechischen Jugend eine Ethik der Wahrheit predigte. Pontius Pilatus half den guten Jesus für seine Verbreitung der Nächstenliebe als Volksverhetzer ans Kreuz zu schlagen. Nero ging der stoische Philosoph Seneca, einstmals Lehrer des späteren Kaisers, wegen dessen Lobeshymnen auf Tugenden wie Armut, Duldsamkeit oder Friedlichkeit derart auf die Nerven, dass er ihn zwang sich selbst umzubringen. Der Ostgotenkönig Theoderich machte den Philosophen Boethius zunächst zum Kanzler an seinem Hof in Ravenna. Dessen Edelsinn in seinen Schriften machte den König aber derart misstrauisch, dass er den guten Boethius hinrichten ließ. Nicht besser erging es dem fähigsten Kopf Englands, dem Philosophen Thomas More. Er brachte es beim Renaissance-König Heinrich VIII. bis zum Lordkanzler. Seine Erfahrungen im realen Staat seines ausschweifenden Königs ließen ihn in seiner "Utopia" ein Konzept für eine ideale soziale Gesellschaftsordnung zu Papier bringen. Dies passte seinem "Obersten Haupt auf Erden der Kirche von England unmittelbar unter Gott" ganz und gar nicht. Also ließ der scheidungsfreudige Heinrich den guten More auf dem Schafott des Tower Hill hinrichten und das abgeschlagene Haupt einen Monat lang auf der London Bridge als Abschreckung zur Schau stellen. Gut - es kam die Aufklärung und die Säkularisierung (die unsere muslimischen Mitmenschen hoffentlich auch bald anpacken) und das gemeine Volk ließ nicht mehr alles mit sich machen. Trotzdem fanden Inquisition und Hexenverbrennungen noch bis ins 19. Jahrhundert statt. Und ich bin mal gespannt was wir von unserem amerikanischen Möchtegern-Tyrannen Trump noch zu erwarten haben.
Warum aber dies hier alles? Nun - wir gemeinen Golfer(innen) lassen uns wie die Lemmige aus St. Andrews und vom DGV bevormunden; wir finden zwar nicht den Tod wie die Lemmige bei ihren Wanderungen, aber wir lassen alle paar Jahr stoisch neue Regeln vom Gralshüter aus St. Andrews, dem Vatikan für alle Golfspieler/-innen, über uns ergehen. R&A und USGA legen immer mal wieder die Größe und den Trampolineffekt unserer Driverköpfe fest (gegenwärtig 470 ccm). Ist das nur ein Kotau vor der Schlägerindustrie, die uns zu immer neuen Investitionen in das Equipment verleitet? Die übermächige Autorität in St. Andrews bestimmt die Länge unserer Schläger von gegenwärtig maximal 1219,2 mm (ohne Putter). Der lange "Belly Putter" bleibt zwar zugelassen, darf aber nicht verankert werden (sprich am Körper fixiert), Regel 14-1B. Seht Euch die Änderungen zu Regel 6-6D, 14-3 oder 18-2B (abgeschafft) an. Weiter lest bitte 25-2 (eingebetteter Ball) und 14-3 & Anhang V (Entfernungsmessgeräte). 2007 wurde das CSA (Competition Stableford Adjustment) eingeführt, um schon 2012 durch das CBA (Computed-Buffer-Adjustment) abgelöst zu werden. Aber bereits 2016 verschwand CBA wieder in der Versenkung. Man will angeblich den "spirit of the game" mit solchen Maßnahmen verbessern. Ich habe den Eindruck, man vergrätzt nur das gemeine Golfvolk, das wie die Lemmige über die Fairways wandert und immer auf's Neue verunsichert wird. Lasst doch die ohnehin schon komplizierten Regeln endlich einmal für lange Zeit unangetastet und vermiest uns nicht dauernd unser geliebtes Spiel. Vielleicht sollten sich die Clubs und der DGV mit einer konzertierten Aktion mal als "gefährliche Aufrührer" gegenüber der etablierten Führungselite in St. Andrews verstehen, einen "kurzen Prozess" wie Sokrates oder Seneca hätten sie ja heute nicht zu befürchten. In diesem Sinne wünscht trotzdem ein schönes Spiel
Poller

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